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Fermentieren – Trend mit Tradition

Fermentieren – Trend mit Tradition

Fermentieren ist eine uralte Methode um Lebensmittel haltbar zu machen. Auch in den Trendküchen von heute wird fleissig fermentiert, weil es die Kreativität anregt, Spass macht und gesund ist.

Bild: iStock | Aamulya

Fermentieren: Comeback einer uralten Technik

Je technologischer und komplizierter die Welt ist, je mehr äussere Gefahren uns Menschen bedrohen, desto mehr sehnen wir uns nach sicheren Werten, auch in der Ernährung! Wir interessieren uns für Selbstgemachtes und wollen wissen, was in unserem Essen drin ist.

Diese Sehnsucht stillen wir mit selbstgebackenem Sauerteigbrot, mit selbstgebrautem Bier und fermentiertem Gemüse, das gesund ist und schmeckt und dabei ohne jegliche Konservierungsmittel auskommt.

Sauerteigbrot und Joghurt selber machen

Brot aus Sauerteig und Joghurt gehören zu den fermentierten Lebensmitteln unseres Alltags. Ihre Herstellung zu Hause ist ganz einfach:

Was ist Fermentation?

Fermentation kommt vom lateinischen Wort «fermentum» und bedeutet Gärung. Die Fermentation ist ein natürlich ablaufender Gärungsprozess, bei dem das Ausgangsprodukt in Säure, Gas oder Alkohol umgewandelt wird. Der Prozess kann spontan oder unter Zugabe von Bakterien oder Pilzen ablaufen.

Die Fermentation wird durch unterschiedliche Mikroorganismen – Bakterien, Hefe oder Schimmel – ausgelöst. Im Rohmaterial leben bereits Mikroorganismen (Fermente), die zu ihrer Ernährung die vorhandenen Zucker und Proteine in Alkohol, Säure und Kohlendioxid umwandeln. Diese Spaltungsprodukte verändern das Milieu des Rohmaterials und behindern die Vermehrung unerwünschter Mikroorganismen und tragen so zur Konservierung bei.

Lebendige, gute Milchsäurebakterien sorgen dafür, dass sich schlechte Mikroorganismen nicht ansiedeln können. Durch das Fermentieren werden schlechte Säuren abgebaut (Oxalsäure, Phytinsäure) und das Lebensmittel wird vorverdaut. Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme bleiben erhalten oder vermehren sich sogar. Vitamine werden neu gebildet (B-Vitamine und Vitamin K2).

Dank Fermentation kann man Lebensmittel haltbar machen. Im Alltag gibt es viele bekannte fermentierte Lebensmittel: Joghurt (fermentierte Milch), Käse (Milchsäure und Lab), Brot (Alkohol und Milchsäuregärung), Wein, Bier Salami, Schokolade, Kaffee, Tee und Gemüse, z.B. Sauerkraut.

Gesundheitstipp: Ein bis zwei Esslöffel Fermentiertes pro Tag ist ideal für die Gesundheit.

Evergreen Sauerkraut

Wenn Menschen nach fermentierten Lebensmitteln gefragt werden, so kommt meist die Antwort: Sauerkraut! Sauerkraut, italienisch Crauti oder französisch Choucrute ist ein kulinarisches Kulturerbe, denn seit dem 13. Jahrhundert ist seine Herstellung in Europa dokumentiert. Weisskohl oder Sauerrüben werden z.B. im bernischen Gürbetal heute noch traditionell verabeitet. Sie werden gehobelt, gesalzen und gestampft – also fermentiert.

Handelsübliches Sauerkraut wird meistens pasteurisiert, was sehr viele der Mikroorganismen abtötet.

Der Verbrauch an Sauerkraut als Wintergemüse ist stark zurückgegangen und ist seit 1950 eher eine Spezialität, die während des Winters mit Rippli oder bei der Metzgete genossen wird.

Interessant ist, dass Sauerkraut heute bei jüngeren Konsumentinnen und Konsumenten ein Revival vor allem in der unpasteurisierten (also fermentierten) Version feiert.

Selbst gemachtes Sauerkraut

Vor- und zubereiten: ca. 15 Min.
Ruhen lassen/fermentieren: ca. 24 Tage
Für 1 Glas mit Deckel von ca. 1 Liter
Beilage für 4 Personen

Zutaten: 1 kg Weisskabis, in ca. 2 mm breite Streifen gehobelt, 20 g Meersalz ohne Jodzusatz.

  1. Kabis und Salz in eine Schüssel geben, gut mischen und so lange kneten, bis richtig viel Saft austritt (ca. 15 Min.).
  2. Kabis in das sehr saubere, heiss ausgespülte Glas füllen, gut andrücken, sodass der Kabis vollständig mit Flüssigkeit bedeckt ist, beschweren (siehe Tipp unten). Glas nur locker verschliessen (Schraubdeckel nicht ganz zudrehen), damit sich bildendes Gas austreten kann.
  3. Glas in eine Schüssel stellen, da bei der Fermentation Saft austreten kann. Glas an einem dunklen Ort bei konstanter Raumtemperatur (max. 21 Grad) ca. 3 Tage stehen lassen. Nach 3 Tagen Deckel kurz abheben, damit entstandenes Gas entweichen kann. Ist ein essigsaurer Geruch wahrnehmbar, ist die Fermentation in vollem Gange.
  4. Glas nun gut verschliessen und ca. 3 Wochen im Kühlschrank weiterfermentieren. Wichtig: Deckel alle 2 Tage öffnen, damit Gas entweichen kann, Glas danach wieder gut verschliessen, zurück in den Kühlschrank stellen.

Nach 3 Wochen ist das Sauerkraut fertig und kann roh oder gekocht genossen werden.

Passt zu: Saucisson, Rippli, Speck.

Portion: 71 kcal, F 0 g, Kh 10 g, E 3 g

Selbst gemachtes Sauerkraut ist voll im Trend.
Selbst gemachtes Sauerkraut ist voll im Trend.

Sauerkraut kochen und verfeinern

1 EL Butter erwärmen, 1 Zwiebel, in Streifen, andämpfen, Sauerkraut kurz mitdämpfen. 1 dl Weisswein oder Bouillon dazugiessen, aufkochen, zugedeckt bei kleiner Hitze ca. 1½ Std. schmoren, mit Salz und Pfeffer würzen. Tipp: Während des Fermentierens ausser Salz keine weiteren Kräuter oder Gewürze mit dem Kabis mischen. Wacholderbeeren, Kümmel, getrocknete Cranberrys oder Kräuter erst bei der Zubereitung beigeben.

Fermentieren rund um die Welt

Es gibt auf der Welt keine Kultur, die sich nicht der Fermentation bedient. Zu den fermentierten Spezialitäten, die auch bei uns bekannt sind, gehören u.a.:

  • Die japanische Miso-Paste aus fermentierten Sojabohnen (Bild).
  • Kimchi, das Sauerkraut aus Korea.
  • Der Kombucha aus China, ein gesüsster, fermentierter Schwarztee mit speziellen Pilzen.

Kimchi, das Sauerkraut aus Korea

Die Koreanerinnen und Koreaner fermentieren fast alles. Für sie ist klar, dass sie dank der Fermentation die gesündeste Küche der Welt haben. Sprichwörtlich ist ihr Kimchi. Es wird durch Milchsäuregärung, also Fermentierung, aus Chinakohl oder Rettich zubereitet. Die gemeinsame Kimchi-Herstellung wurde 2013 als immaterielles Kulturerbe in die Liste der UNESCO aufgenommen und gehört zu jeder Mahlzeit wie auch Reis.

Kimchi gilt als eines der gesündesten Lebensmittel überhaupt. Es ist ballaststoffreich und hat einen hohen Gehalt an Vitamin A, B und C sowie Proteinen, Aminosäuren und Mineralien.

 

Hier eine Schweizer Variante aus Rotkabis:

1 kg Rotkabis fein hobeln, mit 3 EL Salz in einer Schüssel gut mischen, mit einem Teller beschweren. Zugedeckt bei Raumtemperatur ca. 48 Std. ziehen lassen. Kabis abspülen, gut abtropfen, in eine Schüssel geben. 2 rote Peperoncini, entkernt, 1 Stängel Zitronengras und 3 cm Ingwer, in Stücken, mit 1 EL Rohzucker, 1 EL Zitronensaft und 2 EL Orangensaft fein cuttern. Paste mit dem Rotkabis mischen, in 4 Einmachgläser von je ca. 2½ dl, heiss ausgespült, geben. Rotkabis gut andrücken, zugedeckt ca. 24 Std. im Kühlschrank ziehen lassen.

Passt zu: gebratenem Fleisch, Fisch, Raclette, Weichkäse und als Sandwich-Belag.

Haltbarkeit: kühl und dunkel ca. 1 Monat.

Kimchi aus Rotkabis.
Kimchi aus Rotkabis.

Chinesisches Trend-Getränk Kombucha

In China trinkt man Kombucha, einen gesüssten Grün- oder Schwarztee mit speziellen Hefepilzen.

In den USA ist Kombucha bereits ein Trendgetränk, das es in Bars sogar mit Bier aufnimmt. Der gesüsste Grün- oder Schwarztee, der mit dem Kombucha-Pilz natürlich fermentiert wird, gilt als besonders gesund. Durch den Fermentationsprozess entstehen lebende Mikroorganismen, die die Darmflora positiv beeinflussen sollen. Wissenschaftlich nachgewiesen sind diese Wirkungen jedoch bisher nicht. Ausserdem sind diese angeblich gesundheitsfördernden Stoffe nur enthalten, solange das Getränk nicht pasteurisiert wird.

Der Kombucha-Pilz kann zur Herstellung zu Hause übers Internet bezogen werden. Zu bedenken ist allerdings, dass das Getränk relativ viel Zucker und Alkohol enthalten kann.

<b>Kombucha:</b> Auch Tee kann man fermentieren.
Kombucha: Auch Tee kann man fermentieren.

Fermentieren und heiss einmachen – was ist der Unterschied?

Beim heiss Einmachen – in England nennt man es «to pickle» – wird heisser Sud wird über das Gemüse gegossen oder das Gemüse wird kurz im Sud gekocht, um das Wachstum von schädlichen Mikroorganismen zu verhindern. Dadurch werden Mikroorganismen durch Hitze abgetötet. Anschliessend werden die Lebensmittel im Essigsud, in Salzlake, in Öl oder Alkohol konserviert.

Beim Fermentieren geschieht das Gegenteil: Lebendige, gute Milchsäurebakterien sorgen dafür, dass sich schlechte Mikroorganismen nicht ansiedeln können.

Es war einmal: Geschichte des Fermentierens

Vor sehr langer Zeit, etwa 100'000 Jahre v. Chr., begannen die Menschen sesshaft zu werden und Ackerbau zu betreiben. Vorher waren sie als Jäger und Nomaden herumgezogen und hatten sich von gejagten Tieren und gesammelten Lebensmitteln ernährt. Mit dem Übergang von der Jagd zum Ackerbau erfanden die Menschen auch Methoden zur Aufbewahrung von Lebensmitteln, denn die Getreideernte musste für die Winterzeit haltbar gemacht werden.

Dabei wurde der Fermentationsprozess entdeckt, der fortan zur Herstellung von Bier, Wein und Brot, später auch für Gemüse, Milch und Fleisch angewendet wurde. So kam man satt durch den Winter – ohne bereits Genaueres über Mikroorganismen zu wissen.

Der Seefahrer James Cook nahm 1768 fassweise Sauerkraut auf seine erste Reise mit, weil er wusste, dass das eingestampfte Kraut lange haltbar war und seine Seeleute dank Vitamin C vor Skorbut, der schwersten Vitamin-C-Mangel-Krankheit, bewahrte.

Fermentieren wird gerne für Gemüse angewendet. (Bild: istock | jchizhe)
Fermentieren wird gerne für Gemüse angewendet. (Bild: istock | jchizhe)

Später benötigte Napoleon für seine hunderttausend Soldaten im Krieg Nahrungsmittel, die transportierbar waren. Er versprach einen Preis für die beste Lösung. Nicolas Apert, kein Wissenschaftler, sondern ein Bäcker, gewann 1810 die Prämie: Er sterilisierte Lebensmittel, erhitzte sie auf 100 Grad und füllte sie in luftdichte Flaschen ab. Nachdem die Konservenbüchse erfunden worden war, verdrängte diese moderne Haltbarkeitsmethode die Fermentation.

In den 1950er-Jahren hielt der Kühlschrank Einzug in die Schweizer Küchen. Neue Möglichkeiten der Haltbarkeit taten sich auf: Kühlen auch im Sommer und sogar Tiefkühlen – welche Erleichterung! Mit der Entwicklung der Lebensmitteltechnologie und dem immer wichtiger gewordenen Hang zur Hygiene verschwanden Sauerkrauttöpfe, Steinguttöpfe für Eier, Weckgläser und Bülachergläser in den hintersten Ecken der Keller.

Wann muss man aufpassen?

Wann muss man aufpassen?

Bei Gallenproblemen oder Histamin-Unverträglichkeit sollte man mit fermentierten Lebensmitteln behutsam umgehen.
Falls sich Schimmel bildet, wenn etwas streng riecht, wegwerfen!
Fermentieren braucht Beobachtung, Riechen und etwas Erfahrung.

Was sind Probiotika und Präbiotika?

Bei den Probiotika handelt es sich um spezielle Bakterien (z.B. Milchsäure-Bakterienstämme), die Milchprodukten zugesetzt werden. Diese Bakterien überstehen die Magenpassage besser als die üblicherweise zur Säuerung eingesetzten Milchsäure-Bakterien. Sie haben die Fähigkeit, sich verstärkt an der Darmwand festzusetzen und können so schädlichen Bakterien den Platz wegnehmen. Bei einem regelmässigen Konsum von probiotischen Lebensmitteln sollen diese die Darmflora positiv verändern, bei Durchfall hilfreich sein und die Abwehrkräfte stärken. Ein günstiger Einfluss auf den Cholesterinspiegel sowie eine antikanzerogene Wirkung werden ebenfalls vermutet. Es ist aber noch nicht ab schliessend geklärt, ob eine Veränderung der Darmflora auf die Dauer nur positive Auswirkungen hat.

Präbiotika sind bestimmte unverdaubare Nahrungsfasern (zum Beispiel Inulin, Oligofruktose), die erst im Dickdarm abgebaut werden und dadurch als Nahrung für Probiotika dienen können. Präbiotika werden z.B. Joghurt, Quark, Milchdrinks, Säften, Brotaufstrichen und Müesli beigegeben. Werden präbiotische Lebensmittel regelmässig gegessen, können sie das Wachstum der darmeigenen Bifidus-Bakterien fördern und bei Verstopfung hilfreich sein. Präbiotika werden auch aus technologischen Gründen geschätzt, denn sie schmecken leicht süss, haben keine Kalorien und verleihen Lebensmitteln eine angenehme Konsistenz und ein grösseres Volumen.

Präbiotika kommen z.B. vor in Chicorée, Topinambur, Zwiebeln, Knoblauch, Lauch, Schwarzwurzeln, Artischocken, Hafer und Roggen.

Text: Daniela Bieder, Marlène Gautschi (Pro- und Präbiotika)
3. Januar 2022